Neubau Schule für Holz & Gestaltung

Einladungswettbewerb 2023

Das Baureferat des Bezirks Oberbayern hat fünf Architekturbüros aufgrund Ihrer Kompetenz ausgewählt um am Wettbewerb zum Neubau der Schule für Holz und Gestaltung teilzunehmen.
Dabei durften wir uns mit Büros messen, welche zu den renommiertesten Architekten Europas im Bereich des ländlichen Bauens zählen. Vielen Dank für diese ehrenvolle Möglichkeit.

 

Städtebau
Die bestehende Anlage der Schulen für Holz und Gestaltung hat sich über einen Zeitraum von über 150 Jahren entlang der Hauptstraße zu einem blockrandartigen Gebäudeensemble mit rückwärtiger Innenhofsituation entwickelt. Auffallend ist der straßenseitige Wechsel zwischen Giebel- und Traufständigkeit der einzelnen Fragmente. Unser Entwurf greift diese Wechselständigkeit der Giebelausrichtung auf und erzeugt an den drei von der Hauptstraße aus erkennbaren Fassadenseiten jeweils eine Giebelansicht. Dadurch soll das Gebäude als Ensembleabschluss des Schulareals keine städtebaulich definierte Ausrichtung der Giebelseite bekommen. Vielmehr soll es die mannigfaltige Pluralität des Kontextes innerhalb des neuen Gebäudes abbilden und aufgrund dieses städtebaulichen Merkmals seine identitätsstiftende Individualität und Präsenz bekommen. Durch die erdgeschossige Grundrissform mit den einschnittartigen Zäsuren und dem damit entstehenden Atrium wird die Idee der rückseitigen Innenhofsituation der bestehenden Anlage aufgegriffen und der Bestand mit dem Neubau verbunden. Die Nutzer gelangen in teilweise offenen und gedeckten Bereichen vom bestehenden Schulgelände zum neuerrichteten Erweiterungsbau oder können dort witterungsgeschützt verweilen. Ebenfalls dienen diese überdeckten Bereiche der witterungsunabhängigeren Entladung und Verteilung von Rohmaterial. Durch den Abbruch des Verbindungsbaus zur Krippenschule im Bestandsareal entsteht im Zusammenspiel mit dem freigestellten Holzlager des Neubaus eine sich verbindende städtebauliche Situation, welche durch den geschlossen süd-östlichen Flügel den gestischen Arealabschluss bildet und zusammen mit dem nördlichen Blockrandabschluss des Bestandes eine morphologische Einheit auf dem Gesamtareal erwirkt. Das Obergeschoss mit seinen Giebelansichten schließt die eigenständige Form vollständig und generiert dabei mehrere außerthermische Bereiche (Loggien) zur freien Nutzung für Schüler und Lehrkräfte.

 

Entwurf
Im Zentrum des Gebäudes inmitten eines außerräumlichen Luftraums steht ein Baum als
Symbol für die sinnbildliche historische Verwurzlung der Schule mit dem Ort.  Metaphorisch rückt dadurch der Ursprung des Rohstoffs der materialverarbeitenden Schule ins Zentrum des Neubaus und ist ganzjährig von den angegliederten Räumlichkeiten aus sicht- und erlebbar. Der Lichthof ermöglicht den Räumen eine zweiseitige Belichtung und bringt durch den Tiefhof sogar Tageslicht ins Untergeschoss. Zusätzlich verschatten sich die Innenhoffassaden gegenseitig und werden in ihrer sommerlichen Wärmeschutzwirkung symbiotisch durch die sommerliche Belaubung des zentralen Baums unterstützt. Im Winter lässt der Baum mit abgefallenem Laub dann die Sonnenstrahlen ins Gebäude und sorgt für solare Erträge und damit verminderte Heizkosten. Durch die erdgeschossigen Einschnitte gelangt im Querluftprinzip frische Luft (auch über die aus dem Süden ankommenden Fallwinde) in den Innenhof und transportieren verbrauchte und aufgeheizte Luft im Sommer durch den Kamineffekt über den Lichthof ab und kühlen somit passiv das Gebäude. Im Winter sorgen die teilweise föhnartigen Fallwinde für den synergetischen Umkehreffekt indem sie aufgewärmte Luft entlang der Fassaden strömen lassen und somit den Transmissionsverlust dezimieren. Die außerhalb um das Gebäude angeordneten, begrünten Stampfbetonwände sind archaisch einfach zu errichten und übernehmen dabei zahlreiche Funktionen. Sie unterstützen den Schallschutz (Straßen- / Verkehrslärm von außen nach innen und Maschinenlärm von innen nach außen), bilden einen Sicht- und Blendschutz für die dahinterliegenden Arbeitsräume, dienen als Witterungsschutz, unterstützen den sommerlicher Wärmeschutz und tragen zur Raumbildung bei. An ihnen werden Angebote wie Fahrradstellplätze untergebracht deren Überdachung auf den Betonwänden aufliegen.

Die Begrünung der Betonwände schafft dabei einen synergetischen Konnex zwischen natürlich wachsender und menschlich geschaffener Materie, indem sie straßenseitig emittierten Feinstaub bindet, das in den Abgasen ausgestoßene Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff umwandelt, Lebensraum schafft und zur Verbesserung des Schallschutzes beiträgt. Durch Nischen welche in die Betonwände eingelassenen sind wird zusätzlich Lebensraum für bedrohte Vogelarten (Gebäudebrüter) geschaffen. Die hinter den Betonwänden stehenden bodentiefen Glasflächen sorgen indes für lichtdurchflutete, blendfreie und konzentrierte Arbeitsräume ohne visuelle Beeinträchtigung (z.B. straßenseitig: Ablenkung durch vorbeifahrenden Verkehr). Die bestehenden Bäume entlang der südlichen Grenze sind Teil des Genius Loci und sollen auch aus Gründen des sommerlichen Wärmeschutzes erhalten bleiben. Sie sind aufgrund ihrer klimaregulierenden Eigenschaften Bestandteil des Konzeptes gegen Überhitzung, welches gemäß des low-tech-Prinzips komplett ohne einer rein technischen / mechanischen Lösung auskommt. In diesem Bereich werden auch die notwendigen Retentionsflächen geschaffen, welche den Bäumen in Zeiten des Klimawandels und dessen Temperaturextremen als ausgleichendes Wasserreservoir dienen. Die entstehende örtliche Verdunstungskühlung (Adiabatkühlung) trägt dabei zur städtischen Mikroklimaregulierung bei. Diese aufsteigende kühlere Luft wird durch die örtlichen Fallwinde an die Fassaden getragen und wirken im Sommer einer Überhitzung entgegen. Während die Bäume im Sommer durch ihr Laub die Sommersonne vom Gebäude abhalten, sorgen sie im Winter für den nötigen Durchlass, um die solaren Erträge nutzen zu können. Unterstützt wird der sommerliche Wärmeschutz durch das auskragende Obergeschoss im Süden, welches zusammen mit den bewusst gesetzten erdgeschossigen Betonwänden bei hochstehender Sommersonne die erdgeschossige Pfosten-Riegel-Fassade vor Überhitzung schützt. Die Fassade des Obergeschosses aus stellenweise dichter oder loser angeordneten Holzstäben (je nach Sonneneinstrahlungsrichtung) bricht die einstrahlenden Sonnenstrahlen und sorgt für ein atmosphärisches Lichtspiel im Inneren der Räume. Die hölzerne Pfosten-Riegel-Fassade des Erdgeschosses sowie die Fensterflächen des Obergeschosses werden mit segmentierten Oberlichtern ausgestattet. Durch manuelle und automatisierte Öffnung dieser Fenster wird mittels Querlüftung der Luftwechsel sichergestellt und mithilfe der Nachtauskühlung einer Überhitzung der Räume entgegengewirkt. Die Luft wird in beiden Fällen rein physikalisch in den Luftraum des Atriums gedrückt, wo sie durch den natürlichen Sog des Kamineffekts nach oben entweicht. Das technische Gebäudekonzept sieht die Nutzung der örtlichen Fernwärme sowie die kreislaufintegrative Nutzung durch thermische Verwertung der Materialabfälle der Holzbearbeitungsmaschinen vor. Alle Versorgungsstränge der technischen Gewerke sollen in baukonstruktiv vorgesehenen Nischen mit reversiblen Verblendungen verlaufen, um einen problemlosen lebenszyklischen Austausch sicherzustellen und Veränderungen ohne größere bauliche Maßnahmen umsetzen zu können. Leitungen sollen aus vorgenannten Gründen, wo möglich, als Aufputzinstallationen (z.B. worklab, Materiallager, usw.) geführt werden. Die durch Arbeitsstättenrichtlinien vorgeschriebenen Lüftungsanlagen in den Holzbearbeitungsräumen werden aus Kosten-, Revisions- und Flexibilitätsgründen sichtbar an den Decken angebracht.

 

Konstruktion & Material
Die Auswahl der Materialien und der Konstruktion erfolgt nach althergebrachter vernakulärer Verwendungs- und Einsatzlogik und bestmöglich im Sinne des cradle-to-cradle-Prinzips. Materialien werden demnach entsprechend ihrer positiven Eigenschaften hin so eingesetzt, dass sie mit einfachen Mitteln bei Verschleiß überarbeitbar oder lebenszyklisch reversibel sind. Die Konstruktionen verzichten auf Verbundwerkstoffe und sind sortenrein rückbaubar.

In den mechanisch beanspruchten Räumen wie zum Beispiel dem Holzlager, welches bewusst als Klimablocker an der sonnenintensivsten Ausrichtung situiert wurde kommt sichtbarbelassener und teilweise handwerklich bearbeiteter Dämmbeton zum Einsatz. Aufgrund des diesbezüglichen Materialvorteils wird das Fluchttreppenhaus mit seinen erhöhten Anforderungen an Brandschutz ebenfalls in Dämmbeton errichtet. Das übrige Erdgeschoss sowie das Obergeschoss werden in einer Holzstützenkonstruktion mit im Obergeschoss vorgehängter Wandkonstruktion in Holzrahmenbauweise mit Holzfaserdämmung erstellt. Diese Konstruktion garantiert einen schnellen Baufortschritt durch maximale Vorfabrikation (Fertige Wandelemente inkl. bereits eingebauter Fenster), eine differenzierte Rückbaumöglichkeit sowie maximale Flexibilität und Adaptilität. Das Dach wird teilweise begrünt ausgeführt und trägt durch seine retentive Eigenschaft und der damit verbundenen adiabaten Kühlung zur Reduzierung des heat island effects der Umgebung bei. Des Weiteren wird dadurch einer Überhitzung der Innenräume entgegengewirkt und Lebensraum für Insekten und Kleintiere geschaffen. Die entwurfsprägende Dachgeometrie folgt dabei neben der vorgenannten städtebaulichen Intention auch den Höhenanforderungen des Raumprogramms sowie der nutzungsgradoptimierten Ausrichtung und Orientierung der Fläche für die Photovoltaiknutzung. Die Photovoltaikflächen sind dabei so platziert, dass Sie keine Blendung des straßenraumzugewandten Bereichs erzeugen und gleichzeitig dem Sonnenverlauf zur optimalen Solarausbeute folgt. Die Fassade des Obergeschosses ist inspiriert von den Wäldermotiven der ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotografien des US-amerikanischen Fotografen Ansel Adams. Die vielfältige Gradiation an Grau- und Schwarzwerten seiner Baum- und Waldfotografien und die damit entstehende faszinierende Tiefenwirkung ist gestalterisches Ziel unsere Fassade. Sie ist dabei Relation und Reminiszenz zugleich. Sinnbildlich werden Holzstäbe unterschiedlichen Durchmessers in einfacher Steckverbindung in drei Ebenen entlang der Fassade angebracht. Die Dichte wird dabei entsprechend der funktionalen Notwendigkeit (je nach Sonnenverlaufsausrichtung) und bewusst geplanter Ein- und Ausblicke bestimmt. Die Stäbe bieten wegen ihrer runden Form weniger Angriffs- / Haftfläche für Wasser und sind aufgrund ihrer einfachen, handwerklichen Steckverbindung lebenszyklisch leicht revisionierbar. Durch den anschließenden sukzessiven Alterungs- und Vergrauungsprozess soll ein vergleichbares graditatives Tiefenbild durch die Holzstäbe entstehen, wie man sie in Ansel Adams Fotografien entdecken kann. Das homogene Fassadenbild des Obergeschosses schafft dabei introvertierte, konzentrierte Innenräume (Fachakademie 1+2, Bankraum) bei simultan einheitlichen raumqualitativen Verhältnissen. Die Fokussierung liegt hierbei auf den zentralen Innenhof mit dessen Baum und der entstehenden direkten Kommunikation / Blickverbindung zwischen den anliegenden Räumen.

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