Personalhaus Kreuth am Tegernsee

Baukulturelles Pentimento an einer ehemaligen Gaststätte aus den 1970er Jahren

Die ehemalige Gaststätte, deren Ausdruck bislang sehr vom Stilempfinden der 70er Jahre und dem damit verbundenen Verlust vernakulärer Baukunst geprägt war, sollte im Zuge der Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen ein zeitgemäßes neues Gewand erhalten, welches sich harmonisch in die örtliche Kulturlandschaft einfügt. Gleichzeitig soll es dem Auftrag entsprechend ohne Heimattümelei und Folklorismus die handwerklich geprägte Baukultur durch gezielte behutsame Weiterentwicklung stärken und die traditionelle Architektur beleben.

Das bestehende Gebäude gliedert sich räumlich in zwei deutlich voneinander differenzierbare Volumen. Das Hauptgebäude und das angegliederte ehemalige Garagengebäude wecken aufgrund ihrer Situierung die kontextuelle Assoziation an ehemalige Bauernhöfe mit ihren angegliederten Hofkapellen.

Ausgehend von alten örtlichen Bauernhof-Typen zieht der Entwurf Parallelen zu charakteristischen Fassadengestaltungen dieser Höfe. Die neue Holzschalung der Obergeschosse mit Ausbildung einer „Katzenlaube“ an der Westseite ist eine Reminiszenz an diese klare horizontale Gliederung und Tektur eines ganz bestimmten ehemaligen Bauernhoftypus der Umgebung.
Das gewählte Muster der Zuschnitte basiert dabei auf einem ganz ursprünglichen und klassischen BalusterMotiv des Tegernseer Tals aus dem 18. Jahrhundert, welches mit seinen konvexen und konkaven Schwüngen zum wiederkehrenden Formen-Repertoire ortstypischer Höfe bzw. deren Balkone gehört.

Diese Grundform wurde über die vertikale Ausdehnung eines reinen Balkongeländers nach oben erweitert. Ausgehend vom rechteckigen Standard-Format eines Holzbrettes teilt ein Formschnitt (Balustermotiv) das Ausgangsbrett in zwei Hälften. Diese beiden Teile sind jeweils unterschiedlich, teilen sich jedoch die gleiche Schnittfigur.
Durch gezieltes Spiel von Positiv-Figur (Holz-Anteil) und Negativ-Figur (Zwischenraum) entstehen für das Auge des Betrachters visuelle Muster-Einheiten aus Material und Leerraum, die eine klassische Ornamentik von der rein stofflichen ‚Darstellungsebene‘ des Materials befreien.
Das eigentliche Muster entsteht erst durch die Einheit aus Material und Zwischenraum und den damit einhergehenden Spiel aus Licht und Schatten. Gezielte Unterschiede in der Anordnung der Formbretter erzeugen zusätzlich eine leichte Varianz innerhalb der Fassadenschalung, die partiell Bereiche mit mehr oder weniger Grad an Lichtdurchlässigkeit und Einsehbarkeit generiert.

Diese Varianz durchbricht damit auch die sonst so oft auftretende Massivität und Monotonie großflächiger gleichförmiger Schalungen. Anstelle der reinen Repetition eines ornamentalen gestalterischen Elementes wird in unserem Entwurf die gezielte Variation in der Anordnung zur eigentlichen Ornamentik, die sich lediglich durch die unterschiedlichen Anordnungsmöglichkeiten der Einzelbretter mit der Ruhe einer stringenten Fassadenschalung zu einer Art ‚Gewebe‘ verbindet. So entsteht, ausgehend vom archetypischen Balustermotiv, die moderate Neuinterpretation eines altbewährten örtlichen Fassadenbildes – der Kombination aus flächiger Schalung und ornamentalen Ausschnitten. Die eingesetzten Holzrahmen im Süden durchbrechen die modernistische Langfensterwirkung des Balkonausschnittes und erzeugen durch ihre quadratische Form eine Analogie zu traditionelle Lochfassaden.

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