Stadt von morgen

Machbarkeitsstudie und Entwurf zur Bebauung des Holzblockufers, nördliche Luisenstadt Berlin.

Die Stadt von morgen

Hochverdichtete Städte weisen hauptsächlich strigente vertikale Strukturen auf. Sie wachsen in ihren imaginären und von menschenhand festgeschriebenen Ebenen und Grenzen in die dritte Dimension. Dabei enstehen mehrere hundert Meter hohe Türme, welche sich ohne jeglicher horizontaler Verbindung stupide und trivial aneinanderreihen. Über ihre Wirkung auf die kontextuelle Umwelt und den Menschen wurde und wird sich bis dato wenig Gedanken gemacht. Die Beeinflussung des Klimas (Thermik, Sonnenlicht) sowie die Auswirkungen auf das Behaglichkeitsgefühl der Menschen (Bartophobie, Vitamin-D-Mangel usw.) wird erheblich unterschätzt. Synergien und Potentiale bleiben gänzlich ungenützt und weitesgehend wirken sich die Strukturen negativ auf deren Umfeld aus.

Unsere Vision folgt hier dem Gedanken „back to the roots“. Zurück auf natürliche Synergien, Reduktion auf Urinstinkte des Menschen und Adaption von natürlichen Strukturen. Unser Vorbild dabei ist der Dschungel. Von unglaublicher Arten- und Synergievielfalt sowie größter Dichte geprägt, scheint diese Struktur im Einklang mit sich selbst und jeden seiner einzelnen Komponenten zu existieren. Auffallend bei einer strukturellen Betrachtung eines Dschungels ist, dass er von einem willkürlichen Durcheinander geprägt zu sein scheint. Vertikale und horizontale Verbindungen scheinen wahllos miteinander verknüpft zu sein. Doch absolut alles folgt in diesem System einer funktionellen und synergetischen Logik. Alle Faktoren zusammen bilden den von größter Artendiversität geprägten Lebensraum unserer Erde. Nirgend wo sonst leben Tiere und Pflanzen in einer derartigen Mannigfaltigkeit und Dichte zusammen auf einem Fleck. Diese Idee greifen wir auf. Der künftigen Anforderung an dichten Wohnraum lösen wir ohne gewisse identitäre Gegebenheiten bei der Entwicklung zu zerstören oder unkenntlich zu machen. Die Ränder der Quartiersblöcke werden mittels Einhaltung der Berliner Traufe geschlossen und verleihen dem Viertel seinen ursprünglichen, identitären Charme und Ausdruck. Hinterhalb der Blockränder sollen mehrere, multifunktionale Türme entstehen, welche von auf- und ineinandergestapelten Riegeln umgeben eine extreme Dichte und zugleich große, nutzbare, horizontale Aussenraumflächen erzeugen. Wie ein urbaner Dschungel sollen sich verschiedenste Höhen, Vor- und Rücksprüngen diverse Nutzungen, Ebenen, Plateaus, Höfe, Plätze und Lufträume ergeben. Diese werden so angeordnet und platziert dass sie natürliche, energetische und soziologische Synergien erzeugen. In dieser Ansammlung von Gebäuden sollen sämtliche Nutzungen stattfinden. Von Gewerbe in der Erdgeschossebene, über Wohnungen, Kindergarten, Restaurants in den oberen Geschossen bis hin zu „skybars“, Fitnessclubs und weiteren Sportanlagen. Aber auch Anlagen zur Lebensmittelproduktion und zur Erholung im „Grünen“ sollen in der Vertikale entstehen.

Die horizontal nutzbaren Aussenraumflächen sollen genau wie die Innenraumflächen durch Nutzungsdiversität und – durchmischung geprägt sein. Ziel ist ein „Stadt-in-Stadt“ – Prinzip, welches dem Viertel eine absolute Autonomie generieren soll. Angefangen von Teilen Grundnahrungsmittelerzeugung, Elektrizitätserzeugung, Abfallkreisläufen über Freizeit- und Naherholungsangebote bis hin zu soziologischen und soziokulturellen Angeboten. In 5 Minuten soll jeder Bewohner seine täglichen Bedürfnisse zu Fuß erreichen können. Arbeit, Grundversorgung, Bildungs- und Betreuungsangebote sowie Freizeitflächen liegen übereinander gestapelt und sind deshalb ohne große horizontale Bewegung zu erreichen. Die Wohnungsangebote sollen sozial durchmischt und für jede Lebensform geeignet sein. Für Singles, Dink´s, Paare, Familien, Senioren, für Kommunen oder Wohngemeinschaften. Für sozial schwache und für die „upper-class“. Dies soll zur Bildung eines identitätsbezogenen Stadtquartiers und einem gesunden soziologischen Gefüges beitragen.

Eine soziale Durchmischung des neu entstehenden Wohnangebotes mit der Unterbindung von Gentrifikation soll eine stabile, soziologische Struktur generieren in der sämtliche gesellschaftliche und soziale Schichten miteinander leben. Integration, Aktzeptanz und ein friedvolles Zusammenleben sämtlicher religiöser und ethnischer Kulturen soll dadurch unterstützt werden. Dabei findet neben Sozialisation auch Vermittlung vorherrschender kultureller Bräuche und Eigenarten sowie deren Adaption statt. Durch die Mischung von sozialen Schichten und dem Verzicht sozialer Seperation werden Spannungen vorgebeugt. Der vorgeschriebene Austausch der Menschen soll ein neues, sozial-, glaubens- und herkunftsübergreifendes Identitätsbekenntnis
und Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln. Dazu trägt die von uns entwickelte Struktur erheblich bei. Sie lässt keine sozialen Unterschiede zu. Egal ob man im ersten oder im zwanzigsten Stock lebt, jeder hat Zugang zu öffentlichen Grün-, Sport- und Sozialflächen. Sämtliche Nutzungen entwickeln sich in die Vertikale und finden somit auf allen Ebenen statt. Ausgrenzung, Seperation, Gentrifikation sollen unterbunden und der kulturelle, ethnische, religiöse sowie generations- und sozialübergreifende Austausch und Dialog gefördert werden. Die Anpassung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner und gleichzeitigem Beibehalt kultureller, religiöser Individualität und Eigenheiten ist das soziologische Ziel dieses städtebaulichen Entwurfes. Hin zu Toleranz und Aktzeptanz und einem symbiotischen koexistenziellen Miteinander sämtlicher Bewohner.

X