Einladungswettbewerb Kommunaler Wohnungsbau, 2024
in Zusammenarbeit mit Dietrich Landschaftsarchitekten
A r c h i t e k t u r / S t ä d t e b a u :
Städtebauliche und architektonische Intention des Entwurfes ist die Vereinbarkeit eines zum Teil kleinmaßstäblichen Kontextes mit dem großen Volumen der Wettbewerbsvorgabe.
Die Proportionen und Merkmale (Breite, Höhe, Giebelständigkeit und teilweise geschlossene Bebauung / aneinander gebaute Gebäude) des historischen Kontextes sollen dabei aufgegriffen und neuinterpretiert werden. Die traditionellen Giebeldächer mit ihren Lochfassaden und dessen unterschiedlichen Ausbildungen (scheidrechte Stürze, Segement- und Rundbögen) werden dabei zum zentralen Referenz-Stilmittel des Fassadenentwurfes. Die kleinteilige Gliederung des Objektes in einzeln ablesbare Häuser soll zudem die individuelle Identitätsverbundenheit der Bewohner mit „ihrem“ Gebäude fördern.
K o n z e p t
Durch die zentrale Situierung der Tiefgarage im Zusammenhang mit der konzeptionellen Entscheidung das Parken auf zwei Ebenen zu verteilen (EG und UG), kann der Aufwand der zu erwartenden Spundung/ des senkrechten Verbaus um circa die Hälfte reduziert werden. Dies bedeutet eine kostentechnische Einsparung im sechsstelligen Bereich. Durch diesen Konzeptansatz werden zudem Freiflächen vor Versiegelung geschützt und es könnte ein Großteil des Baumbestandes auf dem Grundstück erhalten werden. Die freiwerdenden Außenraumflächen können der Allgemeinheit in Form eines überdachten Gehweges unter dem Arkadengang, als Aufenthaltsbereiche und dergleichen zur Verfügung gestellt werden. Dadurch behält die Gemeinde zudem die Kontrolle über das Straßen- und Ortsbild entlang der Schützenstraße/Klosterberg.
Die Flächen der erdgeschossigen Parkebene (die Hälfte des gesamten Parkierbelags) können kostengünstig mit einem gewöhnlichen Pflasterbelag ausgeführt werden. Dies reduziert erheblich die Errichtungs- und Instandhaltungskosten gegenüber herkömmlichen Tiefgaragenbelägen (sog. OS- Beschichtungen). Des Weiteren fördert die vorgeschlagene Konstruktion durch seinen offenen, durchlässigen Belag die örtliche und natürliche Retention und ist sortenrein rückbau- und wiederverwendbar. Die Parkebenen sind so entworfen, dass sie auf natürliche Art be- und entlüftet werden können und somit auf eine technische Lüftungsanlage verzichtet werden kann. Durch die Konzeption der Parkierung ist auch hier von Einsparungen im sechsstelligen Bereich auszugehen.
Die Fläche der erdgeschossigen Parkierflächen kann im Falle einer eventuellen Möbilitätswende flexibel umgenutzt werden. Dazu werden die Trennwände zwischen dem Betonstützenraster als reversible, schallabsorbierende Lamellenwände aus Holz gestaltet, um bei einer eventuellen späteren Umnutzung des Geschosses die Fassade neu gestalten zu können. Der Müllraum ist in der erdgeschossigen Parkierebene so platziert, dass er von den Bewohnern witterungsgeschützt zu erreichen und für die Müllabfuhr auf kurzem Weg von der Straße am Klosterberg zu bedienen ist. Die Wohnungen sind so entwickelt und entworfen, dass jede Einheit mindestens einen privaten Außenbereich besitzt, der von keinem Nachbarn eingesehen werden kann.
Die meisten dieser Außensitzplätze sind als überdachte Loggien ausgebildet und können somit das ganze Jahr und bei jeder Witterung genutzt werden. Die Loggien bieten zudem einen erhöhten Schutz der Privatsphäre und tragen zu einem deutlich verbesserten Schallschutz bei. Durch die Ausbildung der Freisitze als Loggien werden die Glasflächen der Wohnungen auf natürliche Weise verschattet, was einen teuren und wartungsintensiven mechanischen Sonnenschutz überflüssig macht. Außenvorhänge sorgen zudem für noch mehr Intimität und bilden zusammen mit den an der Süd-Westseite gezielt vorgepflanztem (Laubbäumen) den natürlichen sommerlichen Wärmeschutz. Die Loggien werden in Holz ausgekleidet (Boden/Wand/Decke) und erzeugen zusammen mit ihrer abendlichen Beleuchtung eine warme, gemütliche Atmosphäre, welche durch die Fenster nach Innen in die Wohnungen dringt.
Die größeren Wohnungen (4- und 5-Zimmer-Wohnungen) sind in der untersten Etage untergebracht, um für Familien mit mehreren Kindern möglichst kurze Wege zu generieren und gleichzeitig prophylaktisch eine geringere Schallbelastung von Nachbarwohnungen zu erzeugen. Die kleineren Wohnungen (40-55m²) sind überwiegend im Dachgeschoss untergebracht, da diese in der Regel den geringsten Körperschall produzieren. Diese Einheiten können alle mit Küchenzeilen von über 3m Länge ausgestattet werden und bieten somit mehr als genügend Stauraum. Die Küchenzeilen der kleineren Einheiten sind dabei überwiegend so angeordnet, dass trotz der geringen Größe der Wohnungen das Gefühl von eigenen Küchenräumen oder Koch-Essräumen entsteht, ohne jedoch die Räume mit zusätzlichen Innentüren ausstatten zu müssen.
Ergänzend befinden sich im Dachgeschoss ein entsprechender Waschraum sowie ein zusätzlicher, zentraler Abstellraum mit den jeweiligen Abteilungen für die dort befindlichen Wohnungen. Durch die daraus entstehenden kurzen Wege wird die Lärmbelästigung innerhalb der Wohnhäuser deutlich minimiert und der Abnutzung der Immobilie durch die reduzierten Bewegungen (vor allem beim Transport von Wäsche und Stauraumutensilien) entgegengewirkt. Die Wohnungen sind im Neubaubereich über zwei eigenständige Treppenhäuser erschlossen. Die Ausformulierung als brandschutzkonformes Treppenhaus ermöglicht den fast vollständigen Verzicht auf die Anforderung der Vollwandigkeit und Rauchdichtheit der Wohnungseingangstüren, was eine deutliche Kostenersparnis zur Folge hätte.
Die Frage der Konstruktion beantwortet sich aus unserer Sicht aus dem Ort und den Anforderungen, welche an das Gebäude gestellt werden. Für uns wäre an dieser Stelle aus bauphysikalischer (z.B. Schall- und Brandschutz) und ökonomischer Sicht eine Massivbauweise einer Holzbauweise vorzuziehen. Die vorgeschlagene Mischbauweise aus einschichtigen Dämmziegeln und Stahlbeton würde entsprechend seiner jeweiligen vorteilhaften Materialeigenschaften eingesetzt werden. Besonderes Augenmerk würden wir bei der Konstruktion auf die Verwendung von möglichst wenigen Schichten legen um eine spätere, sortenreine Trennbarkeit sicherstellen zu können und gleichzeitig materielle sowie ökonomische Ressourcen möglichst zu schonen. So würden die Decke der Tiefgarage, die Stützen in den Parkebenen (TG und EG) sowie im Arkadengang als sichtbar belassenene Betonoberflächen ausgeführt werden, ohne eine weitere Überarbeitung / Bekleidung zu erfahren. Das massive Mauerwerk würde Innen aus Gründen der hygroskopischen Feuchteregulierung und Außen aus antiseptischen, fungiziden Gründen mit Kalkzement verputzt werden. Eine Kon- struktionsart, die sich in Dießen baukulturell wiederfindet, sich seit Jahrhunderten bewährt hat und dies unserer Meinung nach auch für die nächsten Jahrhunderte bewähren wird. Die Fassaden der einzelnen Häusersegmente werden in unterschiedlichen Putzstrukturen bzw. – techniken, welche man im Ort vorfindet, verputzt. Dies soll die Einfügung der großen Maßstäblichkeit des Projektes in die kleinteilige Maßstäblichkeit des Ortes unterstützen und gleichzeitig traditionelle handwerkliche Putztechniken (wie z.B. Besenstrich usw.) fördern und am Leben erhalten.
A u ß e n a n l a g e n – / F r e i a n l a g e n k o n z e p t
Unweit von Dießen liegen südlich des Ammersees die Pfeifengraswiesen mit der charakteristischen Birkenallee zwischen den Orten Fischen und Dießen. Dieses ortstypische Naturbild wird zum zentralen Thema unseres Freiflächenkonzeptes. Mehrstämmige kleinwüchsigere Birken kombiniert mit immergrünen Berg-Kiefern und Pfeifengräsern sollen in den Freianlagen und auf dem Gründach der Pakierebene den integrativen Konnex zum heimischen Naturraum schaffen. Die Birken mit ihrem malerischen Wuchs werden auf den Gründachflächen im 1. OG in dafür vorgesehenen Trögen gepflanzt und erzeugen in Verbindung mit dem Gründach für die Wohnungen auf diesem Geschoss eine ebenerdige, naturnahe Aussicht und Wohnqualität.
Gleichzeitig bildet die Bepflanzung einen gegenseitigen Sichtschutz zur nachbarschaftlichen Bebauung. Aufgrund der Wahl der Bepflanzung und des Begrünungssystems (extensive Begrünung) ist der Pflegeaspekt und Unterhalt auch langfristig gesehen äußerst gering. Das Gründach auf der Parkierebene wird dabei als Retentionsdach ausgebildet, das mittels Schwammeffekts Regenwasser puffern und verzögert abgeben kann. Der daraus entstehende Verdunstungsprozess (Adiabatprozess) trägt zur natürlichen Kühlung des Gebäudes und der Umgebung bei und wirkt positiv gegen den sogenannten „heat island effect“ (Hitzeinseln im dicht bebauten Kontext). Das anfallende Regenwasser der Dachflächen wird ebenfalls auf das Gründach geleitet, um dort in den Retentionsboxen abgepuffert, im Anschluss den Pflanzen und dem Gründach zeitverzögert zur weiteren Verfügung gestellt zu werden.
Das angedachte Konzept des Regenwassermanagements sieht an den versiegelten Flächen (auch bei den Flächen der Parkplätze) eine offene Fugenausbildung (Retentionsfuge) des Belags vor. Der Bodenbelag aus Naturstein im Passeverband nimmt dabei Bezug auf zu dem kleinmaßstäblichen, dörflichen Charakter des Ortes und bildet einen zeitlosen, schlichten sowie wertigen Oberflächenbelag. Entsprechend dimensionierte Retentionsmulden / -becken stellen trotz der schlechten Bodenverhältnisse nicht nur die Versickerung des anfallenden Regenwassers an Ort und Stelle sicher, sondern würden auch Ausnahmeerscheinungen wie Starkregenereignisse abpuffern können. Durch dieses Konzept ist der Überflutungsnachweis sichergestellt.
Der ursprüngliche Gehweg entlang der Straße soll zukünftig durch den angedachten Arkadengang geführt werden. Neben der sicheren Trennung von Straße und Gehweg verfolgt dies zudem die Intention, dass auf der gesamten westlichen Vorfläche vor den Häusern eine Art öffentlicher Raum entstehen soll, der von Haus- und Quartierbewohnern frequentiert werden kann. Letztlich soll hier eine freie, öffentliche Potentialfläche für Sozialisierung entstehen, welche unter Abstimmung mit der Gemeinde (-verwaltung) frei bespielbar und belebbar gemacht werden kann. Diese Flächen (überdacht und frei) sollen den nachbarschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Menschen /Bewohner mit dem Ort Dießen verbinden, anstatt sie zu separieren. Unterstützt wird das Ganze durch Pflanztröge aus Beton welche gleichzeitig zum Sitzen und kurzzeitigen Verweilen einladen. Da Dießen ein lebendiger und aktiver Ort ist, sind auf den freien Flächen auch diverse Veranstaltungen denkbar, die das Zusammenleben des Quartiers zusätzlich stärken können. Neben einem Christkindlmarkt sind auch temporäre Ausstellungen der hiesigen Kunstszene denkbar, welche zum Beispiel im Arkadengang als erweiterte Galleriefläche stattfinden könnten. Auch „Nachbarschafts-Treffs“ auf Basis einer Eigeninitiative der Bewohner wären dort denkbar.
Zwischen dem neuen Wohngebäude und dem ehem. Gasthof Drei Rosen, an einem der Straße abgewandten und geschützten Bereich ist der neue Kinderspielplatz angeordnet. Der Spielplatz zieht sich dabei vom öffentlichen Bereich bis in den geschützten Raum zwischen Bestand und Neubau. Innerhalb dieser Hofsituation soll ein kleiner, beschützter Rückzugsort für Kinder und Eltern entstehen, der auch zum elterlichen Austausch und Verweilen einlädt. Als Spielangebote wären neben einem Sandspiel auch ein Klettergerüst angedacht.
B e s t a n d s g e b ä u d e
Ziel des Entwurfes ist die maximale Rückführung des Bestandsgebäudes auf seine ursprünglichste Form. Dies bedeutet neben der solitären Freistellung des Gebäudes an seinem Platz auch die Rückführung der Volumensilhouette auf einen Stand vor 1950 (nicht entsprechend Auslobungsunterlagen Foto Stand um 1950). Dadurch soll eine authentische, respektvolle und gelebte Reminiszenz an den Ursprung erschaffen werden. Der historische Querflur soll als Identitätsmerkmal erhalten und als zukünftige Haupterschließungsachse gestärkt werden. Durch ihn lässt sich das Gebäude auf Erdgeschossebene durchschreiten. Von der nördlichen Schützenstraße soll man das Gebäude durch eine aus Holz und Glas neuinterpretierte, traditionell zweiflügelige Wirtshaustür betreten, wie sie auf der Fotografie (schätzungsweise um 1867-1910) abgebildet ist. An der Nordseite wird der ursprünglich nicht vorhandene, imposant nach Außen tretende Quergiebel entfernt, um die Urform an dieser Stelle wieder herzustellen.
Dies erspart zudem die aufwändige Ertüchtigung dieses Bauteils auf den angestrebten KFW-40 Standard sowie die statische Ertüchtigung auf die aktuellen Schneelasten. Um der obersten Wohnung jedoch einen qualitativen Außenbereich zu generieren, wird anstelle der ehemaligen Schnittstelle des Quergiebels eine Dachterrasse /-loggia errichtet. Diese tritt volumetrisch nach Außen nicht in Erscheinung und sorgt für die nötige und ausreichende Belichtung der Vier-Zimmer-Wohnung. Die bestehende, jedoch ebenfalls nicht ursprüngliche Gaube an der Westseite kann konzeptionell ebenfalls entfallen. Lediglich die Gaube auf der den Straßen abgewandten Seite im Süden muss konzeptionell aufgrund der Ausnutzung der vorhandenen Erschließung bestehen bleiben.
Generelles Ziel bei der Aufteilung der Wohnungen innerhalb des Bestandsgebäudes ist der maximale Erhalt der vorhandenen Tragstruktur. Im EG und 1.OG sollen dazu auch die Kaminschächte erhalten bleiben, um sie für neue Versorgungsleitungen der technischen Gebäudeausrüstung (HSL+E) zu nutzen. Sämtliche Wohnungen im Bestandsgebäude haben ihre Waschmaschinen innerhalb der Einheiten.